Den Handel an der Börse

stellen sich die meisten Menschen so wie in Hollywood-Filmen vor: Als ein wildes Wirrwarr von Menschen, die durcheinanderlaufen, –schreien und –fuchteln. Doch auf dem Parkett der Deutschen Börse in Frankfurt bekommt man beinahe Angst, mit einem Laut die Übertragung des Börsenfernsehens zu stören. War früher der direkte Handel auf dem Parkett üblich, ähnlich dem in Filmen, so ist es heutzutage an den Börsen still und ruhig – ja fast ein Ort der Entspannung und Konzentration. Doch im Hintergrund fliegen die Orders und Transaktionen nur so durch die Glasfaserkabel.

Vollautomatischer Handel mit XETRA

Bereits Anfang der 90er Jahre erhielt die Technik den Einzug in die Deutsche Börse in Frankfurt. Seit 1997 ist XETRA das weltweit zweite vollautomatische Handelssystem. Mit der Technisierung und der stetigen Weiterentwicklung steht die Deutsche Börse AG, welche die Börse in Frankfurt betreibt, vor immer größeren Ansprüchen und Herausforderungen. Kunden weltweit handeln und spekulieren an Deutschlands größter Börse. Aktuelle Nachrichten lassen die Kurse schneller fallen und steigen als das Auge gucken kann, Orders müssen in Millisekunden festgehalten und verarbeitet werden. Die technischen Ansprüche sind hoch – der Anspruch an die Sicherheit des Handels ebenfalls.

Wie die Deutsche Börse AG das Handelssystem XETRA sichert, welche Vorkehrungen getroffen werden und gegen welche Eventualitäten das vollautomatische Handelssystem XETRA gesichert ist, wollen wir, Nils Schlieske und Dylan Knörr, angehende Technikjournalisten/PRler, Ihnen näherbringen. Vorab: Im Detail sind Software und Codes von XETRA geheim. Um Manipulation vorzubeugen, gibt die Deutsche Börse AG über XETRA direkt nur wenig bekannt. Nichts desto trotz haben wir uns intensiv mit dem Handel an der Börse und dem Handelssystem XETRA auseinandergesetzt. Wir möchten Ihnen in dieser Web Documentary die technischen Hintergründe liefern und die Sicherheit der Börse hinterfragen und aufzeigen. Willkommen bei Börsensicherheit.de.

1.

GRUNDLAGEN

XETRA: Kein Zutritt für Unbefugte

XETRA – das vollautomatische Handelssystem der Deutschen Börse AG stellt das Ziel, die Aufgabe der Deutschen Börse sicher: den fairen Handel für jeden Marktteilnehmer. Aus ganz Europa, Asien und auch aus Amerika kommen die Handelsteilnehmer jeden Morgen um 8 Uhr MEZ zusammen, um an der größten Börse in Deutschland zu handeln. Damit der Handel fair bleibt, muss das vollautomatische Handelssystem XETRA große Anforderungen erfüllen: Die Verarbeitung aller Handelsaktivitäten – Kauf oder Verkauf – sowie zeitgleich den aktuellen Kurs jeder Aktie vermitteln und alle Handelsteilnehmer gleich schnell bedienen.

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Mio. abgeschlossene Geschäfte über XETRA im Januar 2015
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Mrd. Euro Orderbuchumsatz in XETRA im Januar 2015

Dass XETRA den Handel technisch darstellen kann, ist unstrittig. Seit 1997 verfügt die Deutsche Börse AG über das vollautomatische Handelssystem XETRA, seitdem wächst der Markt stetig. Viel wichtiger ist die Frage nach der Sicherheit. Wie sind die Leitungen der Börse gesichert? Welche Chance haben Hacker, den Handel der Börse zu beeinflussen? Und wie anonym ist der Handel an der Börse?

Technik

Um die letzte Frage direkt zu beantworten: Niemand handelt anonym. Jeder Handelsteilnehmer muss sich, bevor er Zugang zur Ordermaske bekommt, in seinem persönlichen Account einloggen. So weiß XETRA, so weiß auch die Deutsche Börse AG, wer wann eingeloggt war und kann sogar auf die Millisekunde genau nachvollziehen, wer welchen Trade durchgeführt hat.

Letztlich ist unsere Mission, den Handel zu ermöglichen. Wir sind neutral, keine Bank, keine Ökonomen. Wir wollen Käufer und Verkäufer störungsfrei und schnell zusammenbringen.

Dr. Frank Herkenhoff, Head of Media Relations Deutsche Börse AG

Eigene Leitungen, AMQP & FIX

Um die Sicherheit bei der Übertragung der Handelsdaten zu gewährleisten, hat die Deutsche Börse AG eigene Glasfaserleitungen zu den Kunden, wie Banken und Fondgesellschaften verlegt. Diese Leitungen werden nur für den Datenverkehr zwischen der Börse und dem jeweiligen Kunden verwendet. Als primäres Übertragungsformat zwischen der Börse und den Kunden dient hierbei AMQP, wohingegen FIX / FIXML als sekundäres Übertragungs- und auch Dateiformat verwendet wird.

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Advanced Message Queuing Protocol, kurz AMQP, ist ein internationaler, offener Standard für die Übermittlung von Informationen und wird seit 2014 in der Norm ISO / IEC 19464 festgehalten. AMQP ist so zu sagen das IP (Internetprotokoll) für unternehmerische Systeme. „Offen“ bedeutet im Zusammenhang mit IT jedoch keinesfalls, dass jeder darauf zugreifen und somit eingreifen kann. Mit „offen“ werden Systeme und Software bezeichnet, deren Quelltext öffentlich / frei zugänglich ist und somit beliebig kopiert, genutzt und verändert werden darf. Dabei ist lediglich die Technologie – also das nackte Grundgerüst und die „Sprache“ des Systems – offen. Die übermittelten Daten der Deutsche Börse Group an und von ihren Kunden sind selbstredend verschlüsselt und somit „geschlossen“. Neben der Deutsche Börse Group setzen auch internationale Unternehmen, wie etwa die Bank of America, Credit Suisse und J. P. Morgan auf diesen offenen Standard. Um das Protokoll in ihrem System zu implementieren, kooperiert die Deutsche Börse Group mit Red Hat Enterprise. Alternative Anbieter sind beispielsweise Microsoft und Software AG.
Financial Information Exchange, kurz FIX, definiert einen offenen Standard, um handelsbasierte Informationen möglichst einfach austauschen zu können. FIX kann dabei sowohl das Übertragungs- als auch das Datenformat darstellen, in dem die Informationen verpackt werden. Wenn lediglich die Rede vom Datenformat ist, spricht man auch von FIXML, das auf der Extensible Markupü Language (XML) basiert. Genau wie AMQP wird auch dieser Standard von zahlreichen Unternehmen aus dem Finanzsektor verwendet: So vertrauen neben der Deutsche Börse Group unter anderem auch Bloomberg, Credit Suisse, die Deutsche Bank, Goldman Sachs und J. P. Morgan auf den 1990 eingeführten Standard.

 

AMQP kurz erklärt (Englisch)
AMQP kurz erklärt (Englisch)

 

Interview mit Andreas von Brevern, IT & MD+S Executive Communication Manager der Deutschen Börse AG

Herr von Brevern, wieso hat sich die Deutsche Börse für einen derartigen offenen Standard entschieden?
Seinerzeit gab es eigentlich keine Alternativen zum Produkt von Red Hat. Bezüglich der AMQP Version (v0.10) war Red Hat am weitesten in der Entwicklung. Alle alternativen Produkte waren noch auf den älteren Versionen v0.9x oder sogar v0.8. Es war damals also eine strategische Entscheidung für das Protokoll und eine pragmatische für das Produkt.

Welche Vorteile bringt es dem Handel an der Deutschen Börse, einen solch offenen Standard zu verwenden?
Der Einsatz offener Standards ist der entscheidende Punkt. Dadurch erhalten wir die freie Wahl zwischen verschiedenen Produkten, die diesen Standard, AMQP, unterstützen. Auch können wir entsprechende Open Source Software oder Eigenentwicklungen einsetzen, um es auf unsere Anforderungen zuzuschneiden. Auf der Applikationsebene, auch im Bereich Risk, bieten wir bei Handel und Abwicklung den ebenfalls offenen Standard FIX beziehungsweise FIXML erfolgreich an. Das FIX Protokoll hat sich weltweit durchgesetzt und wird vielfältig genutzt, insbesondere für die Kommunikation zwischen Käufer und Verkäufer.

Schutz gegen Hackerangriffe

Schutz gegen Hacker beziehungsweise generell Unbefugte im Handelssystem erzeugt die Deutsche Börse AG dadurch, dass sie eigene Leitungen verwendet und kaum Details über die Software und das System preisgibt. Der Schutz vor Eindringlingen findet auf verschiedenen Ebenen statt. Sollte trotz der Vorkehrungen etwas passieren, hat die Deutsche Börse AG noch eine letzte Waffe: die Volatilitätsunterbrechung.

Um den Begriff zu erklären, muss man sich verdeutlichen, was ein Unbefugter in XETRA „anstellen“ könnte. Derjenige würde wahrscheinlich Orders tätigen, die einer Firma, Bank oder Privatperson schaden. Dazu müsste er beispielsweise alle Aktienanteile für sehr wenig Geld verkaufen. Gibt er diese Order auf, erkennt das Handelssystem diese sofort, da sie statistisch aus dem Raster fällt. Der Handel in dieser einen Aktie wird dann unverzüglich und vollautomatisch unterbrochen. Nach zwei Minuten wird der Handel fortgesetzt, sollte dann nochmals eine solche Order abgeben werden, wird der Handel in dieser Aktie manuell unterbrochen und ein Mitarbeiter der deutschen Börse greift ein. Mithilfe einer Telefonnummer, die im persönlichen Account hinterlegt ist, kann die Deutsche Börse den Handelsteilnehmer direkt kontaktieren und ihn nach der Richtigkeit dieser Order befragen – spätestens hier wäre der Eindringling entlarvt.

Unbefugten keinen Zugang zum Handelssystem XETRA zu ermöglichen ist nicht allein ein Thema der Deutschen Börse, sondern natürlich auch ein Thema derjenigen, die dieses Handelssystem XETRA nutzen. Banken, Fondhäuser und Versicherungen, die ihrerseits schon aus Eigennutz sicherstellen müssen, dass sie ebenfalls allerhöchste Sicherheitsstandards haben und nur befugten Personen Zugang in das Handelssystem gewähren und diese dort Orders aufgeben können.

Dr. Frank Herkenhoff, Head of Media Relations Deutsche Börse AG

2.

TECHNISCHE SICHERHEIT

Neue Technik – Alte Wege

Durch das vollelektronische Handelssystem XETRA hat sich für die Deutsche Börse AG ein gewaltiger Markt geöffnet: Der Marktanteil der Deutschen Börse hat sich in den Folgejahren nach der Einführung von XETRA um etwa 97% gesteigert. Mehr Orders bedeuten auch mehr Arbeit: Ein Klick in der Ordermaske und wenige Sekunden später sind Aktien gekauft oder verkauft. Was für einen Anleger am eigenen Rechner nur wenige Sekunden dauert, bringt einige weitere Arbeitsschritte für die Deutsche Börse mit sich.

Die finanzielle Sicherheit von Transaktionen wird darin verstanden, dass Sie zu 100% die Wertpapiere, die Sie gekauft haben, auch bekommen oder umgekehrt das Bargeld bekommen für Wertpapiere, die Sie verkauft haben.

Dr. Frank Herkenhoff, Head of Media Relations Deutsche Börse AG

Sicherheit des Handelns

Mit der Digitalisierung des Systems wurden sämtliche rechtlichen Grundlagen beibehalten. Der gesamte Handelsprozess wurde an digitale Workflows angepasst, aber eine komplexere Umstrukturierung hat nicht stattgefunden. Denn auch der Handel an der Börse unterliegt einigen Sicherheitsbestimmungen, die zwingend eingehalten werden müssen.

In der folgenden Grafik sehen Sie den kompletten Ablauf, den der Handel zwischen zwei verschiedenen Anlegern mit sich bringt. Der Anleger (A) auf der linken Seite kauft Aktien, der auf der rechten Seite (B) verkauft seine Aktien.

Auch wenn es in diesem Beispiel sinnvoll erscheinen würde, dass beide Anleger direkt miteinander handeln, so handeln sie doch nur über die zentrale Gegenpartei. Weiß die Deutsche Börse in jedem Moment wer dort handelt, so wissen die Handelnden zu keinem Zeitpunkt, an wen sie verkaufen und umgekehrt von wem sie die Aktien erlangen. Die Custodian and Settlement Bank sorgt dafür, dass die Rechte und Pflichten, die der Besitz von Aktien mit sich bringt, vom alten auf den neuen Besitzer übertragen werden. Beide Entitäten, die Central Counter Partie und die Custodian and Settlement Bank sind im Besitz der Deutschen Börse. Die Besonderheit: Obwohl die Deutsche Börse AG ein privatrechtliches Unternehmen ist, erwirbt sie vom Bundesland Hessen öffentlich-rechtliche Lizenzen, nach denen sie handeln muss. Welche Auswirkungen das auf die Strukturen der Deutschen Börse AG hat, werden wir später erläutern.

Rechte und Pflichten durch den Besitz von Aktien:

– Recht auf Dividende bei Ausschüttung
– Einladung zu Teilnahme an Jahreshauptversammlung einer AG
– Haftung bei Pleite der AG oder Bank
> Wertverlust der Aktien

Volatilitätsunterbrechung

Wie bereits aufgezeigt, ist das vollautomatische Handelssystem XETRA durch die Volatilitätsunterbrechung gesichert. Diese dient aber nicht nur zur Vermeidung von Schäden durch Unbefugte, die absichtlich eine schädliche Order abgeben, sondern hat auch die Funktion, versehentlich schädliche Orders zu überprüfen. Wie dies im Detail abläuft, erläutert das folgende Interview.

Zeitlicher Ablauf der Volatililtätsunterbrechung

Wie bereits aufgezeigt ist das vollautomatische Handelssystem XETRA durch die Volatilitätsunterbrechung gesichert. Diese dient aber nicht nur zur Vermeidung von Schäden durch Unbefugte, die absichtlich eine schädliche Order abgeben, sondern hat auch die Funktion versehentlich schädliche Orders zu überprüfen. Wie dies im Detail abläuft, erläutert das folgende Interview mit Dr. Frank Herkenhoff, Pressesprecher der Deutschen Börse.

Börsensicherheit: Herr Herkenhoff, stellen Sie sich folgenden Fall vor: Einer Ihrer Mitarbeiter bekommt eine Anfrage von einer Firma oder einer Bank. Offensichtlich würde dieser Trade der Firma oder Bank. Greifen Sie da ein?
Frank Herkenhoff: Damit dieser Trade Schaden verursachen kann, muss die Order extrem billig sein. Das heißt die Order würde aus dem statistischen Rahmen fallen, da sie nicht zu den vorherigen Orders passt. An dieser Stelle greift die Volatilitätsunterbrechung und der Handel in dieser Aktie wird für zwei Minuten automatisch gestoppt.

Börsensicherheit: Was passiert nach den zwei Minuten, einen aktiven Eingriff Ihrerseits gab es bis dahin noch nicht?
Herkenhoff: Das ist bis dahin auch noch nicht notwendig. Die statistische Abweichung kann viele Gründe haben. Zum Beispiel einfach einen Tippfehler. Daher wird der Handel zunächst nur kurz gestoppt. Kommt nach den zwei Minuten nochmals eine solche schädliche Order, dann stoppt der Handel ein weiteres Mal. Dieses Mal für unbestimmte Zeit.

Börsensicherheit: Warum auf unbestimmte Zeit?
Herkenhoff: An dieser Stelle greifen wir dann ein. Durch den persönlichen Login, den jeder Anleger hat, können wir genau nachvollziehen, wer diese Order aufgegeben hat. In jedem Account ist auch eine Telefonnummer hinterlegt. Durch diese Marktsteuerung sind wir in der Lage schnell einzugreifen und rufen denjenigen Händler dann umgehend an, um herauszufinden, ob er diese Order wirklich so günstig machen will.

Börsensicherheit: Und was passiert, wenn die schädliche Order so durchgeführt werden soll? Und Sie wissen, dass der Verkauf zu diesem Preis auch einen wirtschaftlichen Schaden verursachen könnte? Versuchen Sie dann den Händler davon abzubringen oder raten Sie ihm das nochmals zu überdenken?
Herkenhoff: Keinesfalls. Wir als Deutsche Börse stellen nur den Handel sicher. Wie der einzelne Händler handelt, liegt nicht in unserem Ermessen. Wir dürften da auch keinen Einfluss nehmen, da wir aufgrund der Lizenzen, die wir von der Börsenaufsicht Hessen erwerben, im öffentlich-rechtlichen Auftrag handeln.

Millisekunden genau berechnet XETRA, in welchem Rahmen eine Order für eine bestimmte Aktie liegen darf. Dies beruht auf einer statistischen Messung des Handelssystems.

Der Korrekturfaktor Mensch ist auf jeden Fall im System drin.

Dr. Frank Herkenhoff, Head of Media Relations Deutsche Börse AG

3.

RISIKEN

Natürliche Feinde für XETRA

Auch ein vollautomatischer Handel, der lediglich online stattfindet, hat Feinde von außen. Daten sind auf Servern in Rechenzentren gespeichert, Netzverbindungen können geschädigt werden und auch Stromausfälle machen vor dem Handel an der Börse nicht Halt. Die Deutsche Börse AG muss sich nicht nur gegen menschliche Eindringlinge verteidigen, sondern auch gegen Einflüsse von außen.

In diesem Kapitel gehen wir auf die drei Risiken der Deutschen Börse ein: Geschäftsrisiken, finanzielle Risiken und betriebliche Risiken. Fahren Sie über einen der drei Punkte des Diagramms, um Details zum jeweiligen Risiko zu erfahren.

Risikoarten
Geschäftsrisiken: 22%
Eintritt neuer Wettbewerber in den europäischen Handelsmarkt, Verschärfung der europäischen Staatsschuldenkrise, Rückgang der Handelsaktivität, neue regulatorische Vorgaben.
Finanzielle Risiken: 24%
Zahlungsausfall eines Kreditkontrahenten, Verluste aus Wertminderung des Fondsvermögens für Pensionspläne, Ausfall eines Kunden und damit verbundener Liquiditätsengpass.
Betriebliche Risiken: 54%
Fehlverarbeitung von Kundenanweisungen, Fehlberechnung von Indizes, Fehlbehandlung von Handelsanweisungen, Schäden durch höhere Gewalt (Naturkatastrophen, Terrorismus, etc.), Verluste aus laufenden Rechtsstreitigkeiten, Verstöße gegen Sanktionen oder supranationale Regelwerke.
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Angesichts dessen, dass die betrieblichen Risiken mit 54% am größten sind, haben wir uns in dieser Webdokumentation auf eben diese beschränkt.

Die 4 betrieblichen Risiken

– Verfügbarkeit der Systeme (größtes Risiko):
Handel, Clearing, Abwicklung

– Verarbeitung:
Menschliche Fehler, Mängel bei Zulieferern, Verlust von Kundengeldern, Produktmängel

– Materielle Güter:
Höhere Gewalt, Wetterkatastrophen, Terror

– Rechtsstreitigkeiten und Geschäftspraxis:
Verluste aus laufenden Rechtsstreitigkeiten, Betrug, Beschäftigungspraxis, Vetragsrisiken

Maßnahmen zur Minderung der betrieblichen Risiken

Notfall- und Krisenpläne: Das oberste Ziel besteht immer darin, den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten und gegen Notfälle sowie Katastrophen zu sichern. Dementsprechend verfügt die Deutsche Börse über ein System von Notfall- und Katastrophenplänen (Engl. Business Continuity Management, kurz BCM). Darin beschrieben sind sämtliche Abläufe, um den fortlaufenden Betrieb sicherzustellen. Darüber hinaus sind dort Vorkehrungen für alle relevanten Ressourcen, wie etwa Arbeitsplätze, Mitarbeiter, Systeme und Zulieferer, thematisiert. Alle Geschäftsbereiche verfügen über je einen verantwortlichen Notfallmanager, der/die den Vorstand informiert. Ein zuständiges Mitglied des Vorstandes agiert im Krisenfall wiederum als Krisenmanager. Notfall- und Krisenpläne werden regelmäßig durch möglichst realitätsnahes Durchspielen kritischer Situationen unangekündigt getestet. Die Ergebnisse werden mit dem Vorstand besprochen und bewertet.

Versicherungsverträge: Solche Betriebsrisiken, die die Deutsche Börse nicht selbst tragen kann (oder will), werden nach Möglichkeit an Versicherungen übertragen. Sie werden zentral koordiniert und vom Finanzvorstand der Deutsche Börse AG genehmigt.

Compliance: Dies hat die Aufgabe, die Deutsche Börse vor Risiken und materiellen sowie immateriellen Schäden zu schützen, die durch Nichteinhalten von Vorgaben, Gesetzen und Grundsätzen oder aber durch Nichterfüllung von Erwartungen von Behörden, Kunden, Investoren und/oder der breiten Öffentlichkeit entstehen könnten.

In der ersten Stunde nach einem Stromausfall wird die Stromversorgung über Batterien sichergestellt. Wenn diese nach einer Stunde leer sind und der reguläre Stromversorger die Versorgung noch nicht sicherstellen kann, sind im Keller Dieselaggregate aufgestellt, wie man sie aus großen Schiffen kennt. Dort sind mehrere 1.000 Liter Diesel auch schon vorgetankt. Diese Dieselmotoren können theoretisch unendlich laufen – denn Raffinerien und Diesellieferanten aus der Umgebung bekommen eine automatische Verständigung.

Dr. Frank Herkenhoff, Head of Media Relations Deutsche Börse AG

Doppeltes Rechenzentrum

Als eine der wichtigsten Maßnahmen zum Schutz vor äußeren Einflüssen, findet der Handel in XETRA nicht nur in einem Rechenzentrum statt. Parallel läuft in einem zweiten Rechenzentrum exakt derselbe Handel ab – alles wird doppelt dokumentiert, gespiegelt. So gibt es immer eine Art Sicherungskopie der Handelsdaten. Ist der Standort des offiziellen Rechenzentrums unweit von Frankfurt am Main öffentlich bekannt, so ist der Standort der Spiegel-Location nur intern bekannt. Die Deutsche Börse AG betreibt zwar weltweit weitere Rechenzentren, diese haben allerdings mehr mit den weiteren Geschäftstätigkeiten des Unternehmens zu tun und nur untergeordnet mit dem Kassamarkthandel in XETRA.

Das gesamte Rechenzentrum und dessen, was da passiert, findet parallel auch an einer Spiegellocation statt. Das heißt, wenn es tatsächlich es zu schweren Unglücken kommt, wie Erdbeben oder ein Bombenattentat auf das Handelssystem oder auf das Rechenzentrum, würde es an einer anderen Stelle genau so weiterlaufen wie bisher. Man dürfte im Handelssystem selber nicht unbedingt merken, dass es zu erheblichen Komplikationen gekommen ist.

Dr. Frank Herkenhoff, Head of Media Relations Deutsche Börse AG

„Technische Probleme – XETRA Handel am Vormittag unterbrochen“

Die Überschrift einer Meldung der dpa vom 31. Oktober 2014 zeigt auf, dass es trotz aller Vorkehrungen der Deutschen Börse AG zu Problemen und Ausfällen kommen kann. An besagtem Tag fiel der Handel in XETRA für etwa anderthalb Stunden komplett aus. Was genau passiert war, wie die Deutsche Börse AG handelte und ob die Anleger auf Ihrem Verlust sitzen blieben, verrät das folgende Interview:

Börsensicherheit: Herr Herkenhoff, am 31. Oktober 2014 wurde der Handel in XETRA für etwa anderthalb Stunden unterbrochen. Was ist passiert?
Dr. Frank Herkenhoff: Hier hat ein Übergabeprozess eines Rechners auf den anderen nicht funktioniert. Das ist das, was da Ende Oktober passiert ist.

Börsensicherheit: Warum haben Sie infolgedessen XETRA komplett abgeschaltet, immerhin werden hochliquide Werte und auch der DAX hier gehandelt?
Herkenhoff: In diesem Fall haben wir gleich das Kassamarktsystem XETRA komplett abgeschaltet, denn man konnte nicht schnell genug in Erfahrung bringen wie sich dieser fehlerhafte Übergabeprozess denn ganz konkret auf einzelne Teilnehmer auswirkt. Wir haben ja nicht nur Teilnehmer in Deutschland, sondern auch in Großbritannien und Frankreich, den übrigen europäischen Ländern und auch in Asien, über diese langen Entfernungen und die verschiedenen Systeme und deren Laufzeiten, kann es da schnell zu Konstellationen kommen, die den ein oder anderen bevorzugen würden – das müssen wir verhindern und deswegen wurde XETRA komplett runtergefahren.

Börsensicherheit: Ist denn bekannt, ob Handelsteilnehmer geschädigt worden sind?
Herkenhoff: Ja, bei solchen Vorfällen gibt es häufig Handelsteilnehmer, die uns im Detail uns beschreiben können wie sie in welcher Millisekunde einen Trade nicht ausführen konnten und dadurch einen möglichen Schaden erlitten haben. Auch kann es passieren, dass irgendwelche Daten nicht korrekt oder nicht rechtzeitig angezeigt wurden. Auch hier prüfen wir das jeweils im Einzelfall und wenn da der Schaden offensichtlich vorliegt, dann kompensieren wir auch diese Handelsteilnehmer. Das ist das übliche Vorgehen. Haften können wir aber nur, wenn der Fehler auf unserer Seite liegt.

Börsensicherheit: Dies war im Oktober der Fall, richtig?
Herkenhoff: Ja, dort lag das Verschulden auf unserer Seite.

Börsensicherheit: Wie wahrscheinlich ist es, dass solch ein Ausfall auftritt?
Herkenhoff: Wenn man diese knapp anderthalb Stunden Ausfall vom Oktober 2014 auf das gesamte Handelsjahr bezieht, dann sind das in Prozent ausgedrückt eine Wahrscheinlichkeit von weniger als 0,001%.

4.

ORGANISATORISCHES

Mit Bleistift und Taschenrechner

Vor 1997 war der Parketthandel, wie er auch aus Hollywoodfilmen bekannt ist, auch noch in Frankfurt üblich. Etwa 200 Makler waren bis zur Technisierung in Frankfurt beschäftigt – danach verloren sie ihre Bedeutung im Geschehen der Deutschen Börse. Arbeitslos wurden aber die wenigsten. Läuft mit XETRA der Handel vollautomatisiert ab, schrieben die Makler Kurse vor XETRA die Kurse noch mit Bleistiften auf Papier. Berechnungen wurden händisch mit dem Taschenrechner durchgeführt. Eine Menge Platz für Fehler – welche XETRA komplett aus dem Handel genommen hat.

Privatunternehmen oder Universität?

Rein rechtlich gesehen ist die Deutsche Börse AG ein Privatunternehmen, das sogar eigene Aktien in XETRA handelt. Doch wie bereits geschrieben, muss die Deutsche Börse AG Lizenzen vom Bundesland Hessen, genauer von der Börsenaufsicht Hessen, erwerben. Diese schreiben öffentlich-rechtliche Strukturen innerhalb der Deutschen Börse vor. Aus diesem Grund gibt es in der Organisationsstruktur des Unternehmens einen Börsenrat und auch einen Sanktionsausschuss. Diese regulieren und sanktionieren das Verhalten und Fehlverhalten der verschiedenen Organe der Deutschen Börse. Durch die öffentlich-rechtlichen Strukturen, ähnlich derer einer Universität, ist sichergestellt, dass Korruption, wie etwa Preisabsprachen, unterbunden werden. Aus Korruptionsgründen sind auch die Aktienhändler keine Mitarbeiter der Deutschen Börse. Preisabsprachen oder andere Betrügereien werden durch die Strukturen der größten Börse Deutschlands verhindert.

Breaking News als Marktwachstum

Gab es zu Zeiten des Parketthandels mit richtigen Maklern lediglich zur Mittagszeit einen einzigen Tageskurs pro Aktie, so haben die Aktien mit XETRA sekündlich einen anderen Kurs. Einen Beitrag dazu leisten auch die neuen technischen Möglichkeiten, weltweit Nachrichten beinahe minutenaktuell einzusehen. Wer möchte, kann sich über den umgefallenen Sack Reis in China informieren lassen und seine Spekulationen an der Börse darauf ausrichten.

Es gab den Markt vorher schon, aber durch die neuen technischen Möglichkeiten wurde er immer größer.

Dr. Frank Herkenhoff, Head of Media Relations Deutsche Börse AG

Zugegeben, das Beispiel ist ein wenig banal, aber es spiegelt dennoch die Realität, die auch mit der technischen Entwicklung außerhalb der Deutschen Börse einhergeht. Zunächst erhielt Anfang der 90er Jahre EDV Einzug in die Deutsche Börse und schon wenige Jahre später ist das Kassamarkt System XETRA aktuell. Unabhängig davon ändern sich auch die Möglichkeiten, Nachrichten zu verbreiten, zu empfangen und zu übertragen. Auch in der Börse in Frankfurt gibt es eine Wand, in der aktuelle globale Entwicklungen gezeigt werden.